Orientierungslauf in Baden
MIUT
27. April 2019
von Stefan König

MIUT?

Team OLGO fertig gerüstet
Bilder anklicken für eine größere Ansicht
Oder «mute»? Nein, MIUT = Madeira Island Ultra-Trail. – Nachdem die Königs im Januar 2018 mit einer kleinen BaWü-OL-Gruppe diese besondere Atlantik-Insel kennengelernt hatten, bekamen sie Appetit auf mehr: da kam der jährliche MIUT Ende April als Nicht-OL-Experiment gerade recht.



Schon die Anmeldung gestaltete sich als kleines Erlebnis: exakt 6 Monate vor dem Rennen öffnete das Internet-Portal und bot 600-1000 Startplätze auf jeder der 4 Streckenlängen an, also Mini (16 km), Marathon (42 km), Ultra (85 km) und MIUT (115 km). Als wir Stefans Anmeldung für Marathon abgeschickt hatten und «senden» geklickt hatten (also etwa 10 Minuten nach Eröffnung der Anmeldung) waren bereits 150 Plätze belegt! Auch Kirstens Anmeldung für Mini haben wir noch geschafft! Aber nach etwa 1 Stunde waren praktisch alle Startplätze vergeben.







Dann war ein halbes Jahr Ruhe, d.h. nur Trainieren, Videos von früheren MIUTs schauen und die Pflichtausrüstung (z.B. Laufweste mit Wasserflaschen, Regenjacke, Becher, Thermofolie, Stirnlampe, Trillerpfeife, etc.) beschaffen. Ab März verdichteten sich die Mails vom Veranstalter mit Informationen zum Lauf wie z.B. die Versicherungssummen, die bei Todesfall und/oder Invalidität ausgezahlt würden.

Am 25.4. dann der Hinflug via Lissabon. Hier trafen wir bereits beim Warten aufs Boarding auf erste «Verdächtige», d.h. solche die wohl auch am MIUT teilnehmen würden: zuerst fielen uns extrem MIUT-tauglich aussehende Läuferbeine auf (denn die Strecken boten 380, 1750, 4700 bzw. 7200 Höhenmeter) und dann entwickelten wir auch einen Blick für verschiedene MIUT-Logos auf diversen Kleidungsstücken.

Am Folgetag erschienen wir mit unserer wettkampf-konformen Ausrüstung zur Kontrolle beim Event-Check-in und erkannten den einen oder anderen aus dem Flugzeug wieder. Jetzt verriet die Farbe der Startnummer und das Armbändel, wer sich welche Distanz vorgenommen hatte: «Oh, guck mal – der geht auf die 115km!» und wir überlegten, ob wir dem/der das wohl zugetraut hätten. In den verbleibenden Stunden bis zum Start am 27.4. setzten wir konsequent die bestmögliche Vorbereitung um: nichts tun! Absolute Schonung.

Am Start hoch oberhalb von Funchal ging es dann für Stefan nach 50 Metern direkt in die erste 20%ige Steigung, welche sich über 6,4 km und 900 hm(!) hinzog. Entsprechend hatte ich meine Stöcke parat und bemühte mich im Gedränge per Doppelstock-Schub Positionen gutzumachen, ohne dabei jemanden zu verletzen und im Idealfall einen Blick auf die atemberaubende Aussicht einzufangen.

Nach 80 Minuten war ich oben; dort befand sich der erste von 4 Checkpoints der Marathonstrecke mit grossem Buffet. In den folgenden 10 km wies die erste Hälfte 600 «negative Höhenmeter» auf, während die zweite dies mit 600 positiven wieder ausglich. Beim «Abstieg» hoffte ich, als OLer eine Stärke ausspielen zu können: querfeldein bergab laufen; denn genau so stellte sich der Untergrund dar. Wenn Steilheit, Nässe und Fels kombiniert auftraten, wurde es gefährlich … als Bad News kam hinzu, dass Überholen auf den Single-Trails kaum möglich war. Als Good News stellte sich für mich heraus, dass Überholen aber kaum nötig war, weil die Ultratrailer nicht nur Bergziegen sind, sondern es auch abwärts ordentlich krachen lassen (was wettkampf-technisch natürlich zugleich auch wieder eine Bad News war!). Aber es ging ja nicht nur um Platzierungen. Immer wieder stoppte ich um Fotos zu machen und mich von der abwechslungsreichen Umgebung faszinieren zu lassen. Wir hatten uns für unseren ersten Ultratrail tatsächlichen einen besonders schönen ausgesucht.

Zu den weltberühmten landschaftlichen Höhen und Tiefen Madeiras gesellten sich meine eigenen, das heisst das Ausloten der eigenen Grenzen. Zur Streckenmitte war ich völlig in einem Loch: nach der zweiten langen Downhill-Passage (etwa 800 Tiefenmeter) war ich so neben der Spur, dass ich erstmal 10 Minuten Auszeit am Streckenrand brauchte, d.h. Hinsetzen, Essen, Trinken … und den Vorbeiläufern signalisieren, dass ich keine Hilfe bräuchte. Denn mustergültig hielten sich alle an das Veranstaltungsethos, den alle vorher unterschrieben hatten, sich vor allem anderen gegenseitig zu helfen (Strafe bei Vergehen ist lebenslanges MIUT-Startverbot!). Aber dann ging ‘s mir wieder besser. Also erst gehen, dann wieder laufen und ich war wieder im Rennen.

Es folgten weitere Checkpoints und weitere Kilometer – dazu schwindelerregende Steilhänge, in denen die Strecke horizontal entlang sogenannter Levadas (=Wasserkänale) verlief. Dies bedeutete angenehmes ebenes Laufen auf geländigem Untergrund mit Blick auf den Atlantik, der fast senkrecht 400 m unter einem lag! Positionsverschiebungen wurden seltener, das Feld hatte sich sortiert. Aber die Beine wurden schwerer und schwerer. Denn für meine Zielzeit von 7:20 h war ich fitness-technisch doch nicht ausgelegt. Schliesslich erreichte ich den Küstenort Machico, wo die Zielgerade mit grossem Bahnhof alle Finisher erwartete, manche erst nach 30 Stunden.

Kirsten hatte den müden Krieger schon lange im Ziel erwartet. Sie hatte ihre Strecke locker in 2:20 h bewältigt und die Veranstaltung genossen. Auch den Sieger der 115km-MIUT-Distanz hatte sie einlaufen sehen: Er war um Mitternacht gestartet, kurz vor 14 Uhr im Ziel, und wirkte kein Bisschen müde. – Ich erfuhr, dass der Sieger meiner Strecke kaum mehr als die Hälfte meiner Zeit gebraucht hat. Aber sei’s drum: ich war happy, dass das Experiment gut ausgegangen war, und las später im Internet, dass ich sowohl in der Gesamtwertung als auch in meiner Altersklasse ziemlich genau in der Mitte lag.

Die beiden Tage danach, bevor es wieder nach Hause ging, waren geprägt von extremem Muskelkater, vom Abwandern einer der spektakulärsten Passagen der MIUT-Strecke am Pico do Arieiro und davon, überall auf der Insel MIUT-Teilnehmer an verräterischen Kennzeichen respektvoll wiederzuerkennen. Selbst auf unserem Rückflug direkt nach Basel haben wir mindestens 8 MIUT’ler identifiziert!